Rückblick auf die 44. Legislaturperiode |
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9. Verkehr
93.073 |
Ordnungsbussen im
Strassenverkehr. Bundesgesetz. Änderung |
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Amendes d'ordre. Modification
de la loi |
Botschaft: 08.09.1993 (BBl III, 769 / FF III, 733)
Ausgangslage
Das Bundesgesetz über Ordnungsbussen im Strassenverkehr
hat sich seit über 20 Jahren sehr gut bewährt und ist für die Abwicklung von
Bagatellwiderhandlungen im Strassenverkehr nicht mehr wegzudenken. Der Hauptgrund für die
Revision des Gesetzes liegt denn auch darin, dass der Bundesrat die gesetzliche
Höchstgrenze für Ordnungsbussen heute voll ausgeschöpft hat. Trotz der seither
eingetretenen Geldentwertung können die Ordnungsbussen deshalb nicht mehr angepasst
werden. Die generalpräventive Wirkung schwächt sich zunehmend ab, was die
Verkehrssicherheit, aber auch die Umwelt beeinträchtigt. Um diesen negativen Auswirkungen
wirksam begegnen zu können, schlägt der Bundesrat vor, die Höchstgrenze von 100 auf 300
Franken zu erhöhen. Er soll zudem ermächtigt werden, die bisher im Gesetz festgelegte
Höchstgrenze selber periodisch an die Lebenshaltungskosten anzupassen.
Vorgesehen sind ferner folgende Änderungen des
Ordnungsbussengesetzes:
- Die Poliz ei darf auch bei Widerhandlungen, die nicht von
ihr selber festgestellt wurden (Privatanzeigen), Ordnungsbussen erheben. Die Vorteile
liegen darin, dass die Strafverfolgungsbehörden von weiteren Bagatelldelikten entlastet
werden und den Fehlbaren, bei Anerkennung des Vorhaltes, das unangenehmere und in der
Regel auch teurere ordentliche Verfahren erspart bleibt.
- Beim Zusammentreffen mehrerer Widerhandlungen werden die
anfallenden Ordnungsbussenbeiträge - ohne summenmässige Beschränkung -
zusammengezählt. Der Bundesrat wird beauftragt, die Ausnahmen zu regeln, da sich dies
nicht in jedem Fall rechtfertigt.
- Die Frist zur Anfechtung oder Bezahlung einer Ordnungsbusse
wird von 10 auf 30 Tage verlängert.
- Der vom Bundesrat verfolgte Grundsatz, dass im
Ordnungsbussenverfahren keine Kosten erhoben werden dürfen, wird ins Gesetz überführt.
- Ordnungsbussen werden heute nicht mehr registriert. Deshalb
wird auch die Möglichkeit, Personen zu verzeigen, wenn anzunehmen ist, dass diese wegen
mehrfacher Wiederholung der Widerhandlung einer strengeren Strafe bedürfen
("Polizeipostenregister"), abgeschafft.
Verhandlungen
SR |
03.03.1994 |
AB 1994, 65 |
NR |
09.03.1995 |
AB 1995, 481 |
SR |
18.09.1995 |
AB 1995, 808 |
SR / NR |
06.10.1995 |
Schlussabstimmungen (36:0 / 115:52) |
Als Erstrat folgte der Ständerat in zwei
wesentlichen Punkten dem Bundesrat. So hob er mit 27 zu 8 Stimmen die Höchstgrenze für
Ordnungsbussen von bisher 100 auf 300 Franken an. Mit 21 zu 17 Stimmen ermächtigte er
zudem die Landesregierung, die Höchstbussen alle 5 Jahre der Teuerung anzupassen. In zwei
anderen Punkten wich der Ständerat vom bundesrätlichen Vorschlag ab. So soll eine
Ordnungsbusse nicht aufgrund einer Privatanzeige verhängt werden können. Des weiteren
darf die Summe der Ordnungsbussen höchstens das Doppelte der Höchstgrenze (also künftig
600 Franken) betragen, wenn gegen einen Verkehrssünder gleichzeitig mehrere
Ordnungsbussen verhängt werden. Unbestritten blieb im Ständerat die Neuerung, dass
Bussen künftig innert 30 statt 10 Tagen zu bezahlen sind. Und bei Ordnungsbussen dürfen
auch in Zukunft keine Verwaltungskosten erhoben werden.
Auch der Nationalrat stimmte im Frühling 1995 einer
Anpassung der Verkehrbussen an Teuerung und Kaufkraft zu. Im Gegensatz zum Ständerat
lehnte er es jedoch ab, dem Bundesrat die Kompetenz zu erteilen, die Bussen alle 5 Jahre
entsprechend den Lebenshaltungskosten zu erhöhen.
Mit 141 zu 21 Stimmen lehnte die grosse Kammer zwei
Nichteintretensanträge von Dreher (A, ZH) und Zwahlen (C, BE) deutlich ab. In der Debatte
standen sich zwei engagierte Gruppen gegenüber. Zwahlen, Dreher und Giezendanner (A, AG)
bestritten, dass höhere Bussen die Verkehrssicherheit verbesserten. Sie bezeichneten die
Vorlage als reine Geldbeschaffungsmassnahme. Für eine markante Erhöhung der
Verkehrsbussen setzten sich unter anderen Wiederkehr (U, ZH) und Hollenstein (G, SG) ein.
Als Präsident der Vereinigung für Familien der Strassenopfer wies Wiederkehr darauf hin,
dass schon kleine Tempoüberschreitungen für Fussgänger und Velofahrer Lebensgefahr
bedeuten könnten. Hollenstein forderte neben einer Anpassung der Bussen die Einführung
eines Punktesystems.
In der Detailberatung folgte die grosse Kammer mit 91 zu 66
Stimmen wie der Ständerat dem bundesrätlichen Vorschlag, die Maximalbusse neu auf 300
Franken anzusetzen. Vertreter der Freiheitspartei verlangten wie bisher 100 Franken.
Einzelne Bürgerliche suchten einen Kompromiss bei 250 Franken. Bundesrat Koller
versprach, die Bussen würden differenziert der Gefährdung entsprechend erhöht. Eine
Tempoüberschreitung von 11 bis 15 km/h koste inskünftig innerorts 200, ausserorts 160
und auf der Autobahn 120 Franken.
In der Differenzbereinigung folgte der Ständerat
oppositionslos dem Nationalrat und verweigerte damit dem Bundesrat ebenso die Kompetenz,
die Höchstgrenzen der Ordnungsbussen alle 5 Jahre den Lebenshaltungskosten anzupassen.
Laut Kommissionssprecher Danioth (C, UR) dürfe die Gesetzgebungskompetenz gerade in
diesem sensiblen Bereich nicht dem Bundesrat delegiert werden, sondern müsse beim
Parlament bleiben.
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